Die «neue» US-Aussenpolitik gegenüber China: zurück zu Obamas Zeiten?

Das Resultat der US-Präsidentschaftswahl wird China mit Erleichterung begrüsst haben, obwohl Bidens US-Politik gegenüber Asien noch nicht definiert ist. Falls Obamas «Strategic Patience» Politik von Biden wieder reanimiert wird, steigt die Gefahr für Taiwan und Japan stärker denn je. Chinas Expansionspolitik könnte ab 2022 noch aggressiver werden.

US-Politiken gegenüber China zu Obamas Amtszeit

Die US-Aussenpolitik gegenüber China begründete sich traditionell immer auf der «Engagement Policy», die besagt, wenn China wirtschaftlich immer reicher werde, verlange das chinesische Volk mehr politische Freiheiten, wodurch sich die Demokratie in China allmählich ausbreiten werde. Während der Durchführung von Obamas US «Engagement Politik» und der danach von ihm ergriffenen Politik der «Strategischen Geduld» änderte sich aber die Lage im Südchinesischen Meer massiv. Im Jahr 2013 beispielsweise riefen die Philippinen das Schiedsgericht in Den Haag an, um ihre Ansprüche auf einige Inseln (bzw. Riffe) gegenüber China durchzusetzen. Gemäss der philippinischen Regierung wurde im März 2012 auf dem umstrittenen Johnson Reef nichts Ungewöhnliches festgestellt, aber im Februar 2013 standen Gebäude darauf und im März 2014 wurde das Riff sogar komplett aufgeschüttet. Das Schiedsgericht lehnte 2016 die Ansprüche Chinas auf das Riff und die «Nine-dash Line/Neun-Strich-Linie» ab, was China jedoch einfach mit der Ablehnung des Urteils quittierte. Die Aufschüttungsarbeiten im Südchinesischen Meer durch China wurden fortgesetzt und sieben künstliche Inseln geschaffen, worauf vor 2017 verschiedene Infrastrukturprojekte (z.B. Hangars für Flugabwehrraketen) abgeschlossen wurden.

Mit der Politik der «Strategischen Geduld» entwickelte Nordkorea die Kerntechnologie und die Raketen weiter. Diese Strategie wurde kritisiert, weil Nordkorea mehr Zeit zur Entwicklung des Atomprogramms und von Raketen gewonnen hatte. So hatte auch China nahezu freie Hand im Südchinesischen Meer. Weder die Engagement Politik noch die Strategische Geduld funktionierten. Überdies konnte China fast unbemerkt sein Militär verstärken und die Expansionspolitik vorantreiben, da sich die USA mit dem Mittleren Osten und Afghanistan beschäftigten. Angesichts der Situation präsentierte Obama im Jahr 2011 eine neue Strategie, «Pivot to Asia», die Orientierung der US-Regierung auf Asien. Da die USA wegen der immer stärker werdenden wirtschaftlichen Beziehungen mit China zweideutig und verschwommen handelte, konnten die Aufschüttungsarbeiten Chinas im Südchinesischen Meer nicht verhindert werden. Zusätzlich verursachte diese schwache US-Politik, dass sich die ASEAN Länder China zuneigten und deren wirtschaftliche Abhängigkeit von China gefördert wurde.

Der neue US-Präsident Biden hat für seine Regierung einige Personen der ehemaligen Regierung Obamas übernommen und seine Aussenpolitik gegenüber China wird mit «Strategischer Geduld» umschrieben.[1]

Das Bild des Kalten Kriegs, also das Kräftemessen der USA mit Russland, wird anscheinend wieder bedient. Falls dieses Engagement gegen Russland überbetont wird, könnte China dank Vermeidung von Aufmerksamkeit seine Politik gegenüber der Welt desto leichter durchführen.

Gründungsfeier der Kommunistischen Partei Chinas

Am 23. Juli 2021 feiert China das 100-jährige Jubiläum der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas (KPC). Die KPC, vor allem aber Xi Jinping, will dabei wohl einige der erzielten Erfolge zur Schau stellen. Die Amtszeit Xis endet eigentlich im Frühling 2023, aber er kann dank einer erfolgreichen Gesetzesänderung am Ruder bleiben. Die Jahre 2021 und 2022 sind deshalb für ihn sehr wichtig. Die olympischen Winterspiele 2022 finden in China statt. Xi will sicherlich seine Fähigkeiten und Erfolge der ganzen Welt zeigen. Die Möglichkeit militärischer Operationen im Süd- und Ostchinesischen Meer vor der Winterolympiade 2022 kann mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Falls Xi trotz allem zusätzlich seinem Volk und seinen Konkurrenten innerhalb der KPC seine Allmacht präsentieren will, wäre dann doch noch die Eroberung einer unbewohnten Insel in der Region möglich. Am gleichen Tag der Feier zur Gründung der KPC sollte auch die verschobene Tokyo Olympiade 2020 beginnen. Die japanischen Senkaku-Inseln könnten während der Tokyo Olympiade zum Ziel von Fischerboot ähnlichen chinesischen Schiffen werden, die anlanden und in die Inseln eindringen.

Gefährliche Gesetze Chinas

Die chinesische Küstenwache wurde 2018 dem Kommando der Zentralen Militärkommission unterstellt und ab Februar 2021 ist ihr aufgrund einer Gesetzesänderung die Benützung von Waffen auch gegen ausländische Küstenwachen erlaubt. Werden Gebäude oder Infrastrukturen von ausländischen Organisationen oder Individuen in angeblich chinesisch kontrolliertem Seegebiet gebaut, können diese von der Küstenwache Chinas gewaltsam beseitigt werden.[2] Würde China gegenüber den umstrittenen Inseln im Süd- und Ostchinesischen Meer einseitig seine Gesetze anwenden, schwebten die Küstenwachen der Anrainerstaaten in Gefahr.

Es ist dringend nötig, vor den Gesetzen Chinas auf der Hut zu sein. China hat die Politik der «Fusion der Privat- mit der Militärwirtschaft» implementiert.[3] «Private» chinesische Firmen wurden aufgefordert, ausländische Technologien zu erwerben, um das Militär Chinas weiter zu entwickeln. Es gibt keine Unterschiede zwischen privaten und staatlichen Unternehmungen. Mittels dieser chinesischen Politik verstärken und unterstützen ausländische Firmen, Institute oder Universitäten unbewusst das chinesische Militär. Das nationale Mobilisationsgesetz, das ab 2010 in Kraft ist, erlaubt der chinesischen Regierung auch die Requirierung von Anlagen und Materialien ausländischer Firmen in China. Ein erst seit September 2020 in Kraft getretenes Gesetz behandelt Exportverbote und -beschränkungen von Technologien. Bemerkungswert daran ist, dass das Gesetz auch auf die von ausländischen und chinesischen Firmen gemeinsam in China entwickelten Technologien anwendbar ist.[4] Die Durchführung dieser Gesetze hängt selbstverständlich von der Regierung Chinas ab. Das nationale Geheimdienstgesetz Chinas (ab Juni 2017 in Kraft) verpflichtet chinesische Individuen und Organisationen zur Kooperation. Wegen Corona haben viele Länder wirtschaftliche Probleme, weshalb vielleicht ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von China steigt, was noch problematische Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Fazit

Die Indo-Pazifik Region hat sichtlich an Wichtigkeit gewonnen. England hat angeblich vorgesehen, sich z.B. am Handelsabkommen TPP (Trans-Pacific Partnership) zu beteiligen und sich auch bei der neuen Sicherheitszusammenarbeit Quad (Quadrilateral Security Dialogue zwischen Australien, Indien, Japan und den USA) zu engagieren. Angesichts der einseitigen Anwendung eigener chinesischer Gesetze könnte es wichtig sein, in der Region ein System und Regeln durchzusetzen, die auf international anerkannten Standards basieren.

Ob Bidens US-Regierung weiterhin harte Massnahmen gegen China ergreift, ist unklar. Greift die Politik «Strategische Geduld» wieder, beschleunigt dies Chinas neuartige Kolonialisierung der Welt. Sanktionen gegen Myanmar wegen des Putsches des Militärregimes könnten anderseits kontraproduktiv sein, weil sich dadurch die Nähe zu und die wirtschaftliche Abhängigkeit von China höchstwahrscheinlich verstärkt. Dass China seine Gesetze einseitig der internationalen Gesellschaft aufzuzwingen versucht, um eigene Ziele zu erreichen, ist eine reale Gefahr. Ausländische Firmen und akademische Institute haben wohl unbewusst bereits grosse Hilfe zur militärischen Stärkung Chinas geleistet. Vor der Winterolympiade 2022 in China wird China Anstoss erregende Handlungen vielleicht vermeiden, aber diese Vermutung ist angesichts der von China mit relativer Erleichterung wahrgenommenen internationalen Reaktionen auf das Geschehen in Hongkong doch sehr tentativ. Für die Region im Süd- und Ostchinesischen Meer besteht eine noch grössere Gefahr als bisher, vor allem nach den Olympischen Spielen 2022. Eine ernsthafte Zusammenarbeit zwischen dem Quad inkl. England und auch Taiwan ist dringend nötig.

[1] Reuters: Biden to approach U.S. – China relations with ‘patience’, 25.01.2021. https://www.reuters.com.

[2] Bloomberg: China Adopts Law Letting Coast Guard Fire on Foreign Vessels, 23.01.2021. https://www.bloomberg.com.

[3] The Wall Street Journal: China Taps Its Private Sector to Boost Its Military, Raising Alarms, 26.09.2019. https://jp.wsj.com.

[4] CISTEC (Center for Information on Security Trade Control, Tokyo): Chugoku ni okeru shinraidekinai Entity List, Yushutsukinshi, Yushutsuseigengijyutsu List no sekonitsuite, 23.09.2020. https://www.cistec.or.jp.

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