RCEP und TPP: Japans Ringen mit China

China zeigte mit der im November 2020 unterzeichneten RCEP (noch nicht ratifiziert) seinen Führungsanspruch in der westpazifischen Region. Japan versucht, weiterhin Einfluss auf die Region auszuüben, steht aber einem selbstbewussten China gegenüber, das wahrscheinlich in Zukunft geschickt seine Ordnung und sein Recht weltweit geltend machen will.

Auseinandersetzungen zwischen China und Japan um die ASEAN

Die aus 10 Mitgliedstaaten bestehende ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) ist eine wichtige Organisation in der Indo-Pazifik Region. China wollte offenbar mit der RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement) seinen Regionalmachtstatus deutlich machen. Japan versuchte als Gegenmassnahme, ein wirtschaftliches Abkommen mit der ASEAN, Australien und Neuseeland und später Indien zu bilden. Japans Interessen kreisen dabei vor allem um freie Investitionen und den Schutz geistiger Eigentumsrechte; die Absenkung der Zölle könnte kein Primärinteresse gewesen sein. Die Überlegungen zur Gründung der RCEP beruhen grundlegend auf den Streitereien zwischen China und Japan um die ASEAN. Obwohl sich eine Mehrheit der ASEAN Länder für Japan als Gegengewicht zu China aussprechen, vermeiden sie es tunlichst, China zu verärgern wegen ihrer starken wirtschaftlichen Abhängigkeit. Japan wollte augenscheinlich mit dem wirtschaftlichen Abkommen die starken Einflüsse Chinas besser eindämmen und bemühte sich daher darum, auch Indien zu involvieren, das aber aus innenpolitischen Gründen kurz vor Abschluss aus dem Abkommen ausstieg. Es wurde aber auch berichtet, dass Japan Indien keine Zugeständnisse machen wollte. Hätte Japan sich kompromissbereiter gezeigt, wäre Indien vielleicht verblieben.[1]

TPP und RCEP

Ein Freihandelsabkommen (Free Trade Agreement, FTA) behandelt alleinig Zölle und Export- und Importbeschränkungen, während sich ein EPA (Economic Partnership Agreement), zu der die RCEP gehört, sich zusätzlich zum Inhalt der FTA auch um den Schutz des geistigen Eigentums, Investitionen etc. kümmert. So ist auch das von Japan initiierte Handelsabkommen TPP (Trans-Pacific Partnership) aufgebaut. Die TPP wurde ursprünglich von den USA in die Wege geleitet, welche aber 2017 aus der TPP ausstiegen. Danach übernahm Japan die TPP, obwohl starke Opposition in Japan vorhanden ist. Die TPP (im Unterschied zur RCEP) enthält vor allem Punkte zum Investitionsschutz und zur Reform staatseigener Unternehmen. Diese Punkte laufen gegen die Interessen der Kommunistischen Partei Chinas. Japan wollte wohl mit der TPP Druck auf China ausüben, da China wegen dieser heiklen Punkte nicht beitreten konnte. Für einige ASEAN Länder könnten aber die Hürden zu einem TPP Beitritt noch zu hoch sein. China verhandelte mutmasslich sehr geschickt mit diesen Ländern, damit sie sich an der RCEP beteiligen konnten und wollten. Obwohl die RCEP Datenschutz inkl. freien Datenverkehr ins Ausland und Datenkontrolle von Staatsorganen beinhaltet, sind diese Punkte nicht bindend (Investitionsschutz und Unternehmensreformen fehlen im RCEP gänzlich).

Während sich Japan auf die TPP konzentrierte, neigten die ASEAN Länder zur von China initiierten RCEP. Am Ende hatte Japan nur noch die Wahl sich entweder zu beteiligen oder auszusteigen. Japan unterzeichnete also das RCEP Abkommen und wird versuchen, einige neue Regeln auszuarbeiten. Dennoch könnte der Beitritt Japans in die RCEP sehr gefährlich sein. Besonders preiskompetitive Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie Chinas mit dem eigenen Satellitennavigationssystem Beidou (BDS) gefährden offenbar die Sicherheit Japans. Die dritte Generation Beidou wurde im Juli 2020 vollständig eingeführt und ist viel genauer als das GPS und kann untereinander kommunizieren. Die mit BDS ausgestatteten Apparaturen können Signale aussenden. Wenn sich solche Apparaturen in Japan ausbreiten würden, stünde es wohl bald unter der Kontrolle Chinas. Des Weiteren bemühte sich Japan darum, einem Sondervorbehalt für Indien zuzustimmen, so dass Indien zukünftig, wenn es das wünscht, bedingungslos sofort der RCEP beitreten könnte. Gemäss der Regel darf andernfalls kein neues Mitglied innerhalb 18 Monaten nach Inkrafttreten beitreten. Um den Einfluss Chinas auf die RCEP zu schwächen, wäre eine Mitgliedschaft Indiens erforderlich.

Japan versucht, die Anzahl der TPP Mitgliedstaaten (gegenwärtig 12 Länder) innerhalb der ASEAN (Brunei, Malaysia, Singapur und Vietnam sind TPP Mitglieder) zu vergrössern und von der RCEP auf die TPP zu übertragen. Die Philippinen, Indonesien und Thailand von der ASEAN sowie Taiwan zeigen Interesse an der TPP. Darüber hinaus hat auch England sein Interesse an der TPP angekündigt und wird die Sicherheitszusammenarbeit mit Japan verstärken. Eine Entwicklungszusammenarbeit zwischen beiden Ländern für die nächste Generation von Kampfflugzeugen ist angeblich vorgesehen.[2] Da die neue Sicherheitszusammenarbeit Quad (Quadrilateral Security Dialogue  zwischen Australien, Indien, Japan und den USA) weiter verstärkt wird, England nächstes Jahr die Entsendung einer Flugzeugträgerkampfgruppe in die Indo-Pazifik Region geplant, und Deutschland den Einsatz von Kriegsschiffen im Jahr 2021 angedacht hat, könnte eine neue Sicherheitszusammenarbeit mit dem bereits aktiven Frankreich in der Indo-Pazifik Region ermöglicht werden.

Chinas Herausforderung

Der chinesische Präsident Xi Jinping äusserte erstaunlicherweise beim Online Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) im November 2020 Chinas Interesse an einem Beitritt zur TPP. Was er damit gemeint hat, wird in Japan unterschiedlich interpretiert. Mehrheitlich wird argumentiert, dass China den Inhalt der TPP zu seinen Gunsten ändern und an Stelle Japans die TPP führen möchte. Weil Japan bei den Verhandlungen über die RCEP nicht zielorientiert verfuhr, könnte China offenbar ermutigt worden sein, zu versuchen, Japan viele Zugeständnisse abzuverlangen. Ob die USA zum Verhandlungstisch zurückkehren werden, ist noch unklar. Für China ist es wohl darum nicht schlecht, die Abwesenheit der USA zu nutzen, um mit den TPP Mitgliedern zu verhandeln. Dass China Verträge oder Versprechen nicht einhält, ist hinlänglich bewiesen. Als Beispiele können die Behauptung Chinas, dass die künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer nicht militärischen Zwecken dienen oder die Zusicherung der gemeinsamen Erklärung mit England über Hong Kong angeführt werden. Ob China die vorhandenen TPP Regelungen einhalten würde, ist sehr fraglich. Möglich wäre auch, dass Präsident Xi Jinping mit Hilfe der TPP die staatlichen Unternehmungen teilweise zu seinen Gunsten reformieren will. China mag den Abschluss der RCEP beschleunigt haben, da sich die USA mit der Präsidentenwahl beschäftigten, und China seine Führungsposition fest und sicher halten will.

Fazit

China versuchte die ASEAN mit tieferen Beitrittshürden in die RCEP zu locken. Im Gegensatz dazu wollte Japan mittels der TPP zusammen mit der ASEAN, Australien, Neuseeland und Indien eine Zone aufbauen, um China einzudämmen. Da die US-Politik unklar und China mächtiger geworden ist, wollten die ASEAN Länder die von China initiierte RCEP unterstützen. Sowohl China als auch Japan wollen die Abkommen der EPAs, zu denen die RCEP und die TPP gehören, eher zu politischen als zu wirtschaftlichen Zwecken benutzen. China zielt wohl darauf ab, seine Ordnung und sein Recht in Asien und zukünftig weltweit geltend zu machen. Der Handel wird möglicherweise in seiner Digitalwährung abgewickelt, was das auf dem US-Dollar basierende Währungssystem schnell ändern kann. Überdies kann China durch preisgünstige Apparaturen mit dem Satellitennavigationssystem Beidou (BDS) die RCEP Länder unter seine Kontrolle bringen. Japan musste zum Schluss eine bittere Wahl treffen, um seinen Einfluss auf die Region und die RCEP nicht ganz zu verlieren und war dabei wegen wahrscheinlich nicht zielorientierter Verhandlungen gezwungen, viele sonst unnötige Zugeständnisse zu machen. England zeigt Interesse an der TPP, und damit könnte auch Indien ermutigt werden beizutreten. Die Quad (Australien, Indien, Japan und die USA) und England, eventuell auch Frankreich und Deutschland beginnen womöglich in der Indo-Pazifik Region eine Zusammenarbeit. Ausserdem ist sehr wichtig, ob die TPP als Gegenbalance und Eindämmungsmassnahme gegen China erweitert oder die RCEP von innen reformiert wird, um die Ordnung und die Regeln Chinas zu unterbinden. Ferner ist auf die US-Politik gegenüber Taiwan ein Auge zu werfen.

[1] Shintaro, Hamanaka: RCEP Shomei wa naniwo imisuruka, IDE-JETRO, November 2020. https://www.ide.go.jp.

[2] 47 NEWS: F2 Sentokikokei, BeiEi to kyoryokuhe Seifu, Bunyagotono renkeimo, 2.12.2020. https://www.47news.jp.

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