Nachhaltige Effekte des Zweiten Weltkriegs in Ostasien

Seit Kriegsende sind nun 70 Jahre vergangen; Japan gedenkt dieses Tages im August. Auch China, Südkorea und Taiwan haben Gedenkfeiern zum Kriegssieg angekündigt. Mit hohen Erwartungen ist vorallem die Ansprache vom japanischen Premierminister Shintaro Abe verbunden. Wird seine Gedenkrede eine Entschuldigung enthalten fragen sich China und Südkorea.[1] In der Geschichte während und nach dem Krieg gegen Japan tauchen einige diskussionswürdige Probleme auf, die die gegenwärtigen Beziehungen und darüber hinaus auch die Sicherheitspolitik in Ostasien schwer belasten.

Taiwan feiert zwischen Juli und Oktober mit mehreren Veranstaltungen den Kriegssieg gegen Japan. Das heutige von Chiang Kai-shek und seiner Kuomintang Partei gegründete Taiwan mag behaupten, dass sie auf dem chinesischen Festland gegen Japan kämpften und nicht Mao Zedong und seine kommunistische Partei.[2] Taiwan war damals schon 50 Jahre unter japanische Kontrolle. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Kuomintang Partei Taiwan, da die Kuomintang damals die offizielle chinesische Regierung stellte. Trotz Feiern zum Sieg über Japan und riesiger Erwartungen in die Kuomintang Partei wurden die Leute auf Taiwan (Taiwanesen) vernachlässigt, und grausame Zwischenfälle zwischen der Kuomintang und den Taiwanesen fanden statt (z.B. der sogenannte Zwischenfall vom 28. Februar 1947).[3] Die Nachwirkungen (Kriegsrecht) blieben bis ins Jahr 1987 in Taiwan spürbar. Die Kampf zwischen der Kuomintang und Maos kommunistischer Partei auf Chinas Festland dauerte bis 1949 und endete mit der Flucht Chiang Kai-sheks und seiner Kuomintang-Regierung nach Taiwan. Für die Taiwanesen, die bereits vor dem Krieg auf Taiwan lebten, könnte diese neue Zeit auch als Besatzung gegolten haben. Die komplizierte Festlegung der Identität und der Unabhängigkeitswillen der Taiwanesen könnten auch auf diesen Ereignissen basieren. Maos kommunistische Partei könnte indirekt dem japanischen Militär dankbar gewesen sein, da Chiang Kai-sheks Kuomintang wegen der Kämpfe gegen Japan ihre Kräfte verlor, während Mao und seine Partei erstarkten.

Die japanischen Soldaten auf Festland-China und in Mandschukuo wurden nach der japanischen Kapitulation sowohl von Chiang Kai-shek als auch von Mao Zedong als Ausbildner und leitende Funktionäre benützt, weil beide Parteien trotz einer temporären Einigung nie wirklich kooperieren wollten. Die Benützung japanischer Waffen und Knowhows war unverzichtbar, was bei der japanischen Kapitulation in China und in Mandschukuo zusätzlich unnötige Zwischenfälle provozierte. Die Luftstreitkraft der chinesischen kommunistischen Partei wurde z.B. von japanischen Offizieren aufgebaut.[4] Einige japanische Kriegsverbrecher wurden dank ihrer Unterstützung für die von Chiang Kai-sheks Regierung geleitete Siegermacht China in den Tokio Tribunalen unschuldig erklärt und nicht von China ausgeliefert.[5] Die USA unterstützte Chiang Kai-shek, beendete diese Unterstützung aber sobald die Kuomintang wegen Korruption und schlechter Disziplin ihrer Soldaten ihre Macht auf Chinas Festland schwächte. Gleichwohl unterstützte die USA jedoch später Taiwan, als die kommunistischen Mächte Russland und China bedrohlich spürbar wurden. Nach Japans Kapitulation übernahmen auch die Russen japanische Waffen in Mandschukuo, die sie dann Mao Zedongs kommunistischer Partei übergaben.[6] Während des Kampfes gegen die Kuomintang enteignete Maos Partei die Grossgrundbesitzer und teilte das Ackerland unter Pächtern auf. Diese Massnahme gekoppelt mit der Unzufriedenheit über die korrupte und schlecht disziplinierte Kuomintang verhalf Mao und seiner Partei zu mehr Popularität und Anhängern.[7]

Heute, 70 Jahre später, könnten die damaligen Ideen und Vorstellungen in China nur noch wenig erkennbar sein, da sich die Kluft zwischen Arm (Land) und Reich (Stadt) unerbittlich und schnell vergrössert.

Japans offizielle Annektierung der koreanischen Halbinsel begann 1910, und danach existierte eine koreanische Unabhängigkeitsbewegung, die sich ab 1919 in zwei ideologische Richtungen spaltete: kommunistisch und demokratisch. Nach der japanischen Kapitulation 1945 standen sich diese ideologisch inkompatiblen Lager gegenüber.[8] Der Korea Krieg (1950 – 1953) könnte daher auch teilweise auf diese Differenzen zurückzuführen sein. Die Koreaner gründeten gleich nach Kriegsende einen unabhängigen Staat (People’s Republic of Korea), der aber nur sechs Tage existierte, denn die Alliierten – USA, England und Sowjetunion – akzeptierten den neuen Staat nicht und regierten die Koreanische Halbinsel in ihren jeweiligen Einflusssphären. Meinungsunterschiede über die alliierte Okkupation spalteten die Koreaner weiter, was die Kluft zwischen Süd- und Nordkorea noch vertiefte. Der Korea Krieg wurde als Stellvertreterkrieg der USA gegen die Sowjetunion/China betitelt, ist aber auch auf die jahrelangen Ideologiedifferenzen und Meinungsunterschiede der Koreaner selbst zurückzuführen. Südkorea wurde die Teilnahme als Kriegssieger am Friedensvertrag von San Francisco 1951 mit Japan von den Alliierten mit dem Argument verwehrt, dass die Koreaner während der Kriegszeit als Teil Japans einen Beitrag zu den japanischen Streitkräften leisteten.[9] Zahlreiche taiwanesische und koreanische Soldaten, darunter auch einige als Kriegsverbrecher verurteilte, werden auch im Yasukuni Schrein in Tokio verehrt,[10] da sie entweder dem japanischen Militär dienten oder japanische Militärangehörige wie z.B. Uebersetzer waren. Im September 1944 wurde die obligatorische Wehrpflicht für Koreaner und Taiwanesen eingeführt, während vorher freiwillige Bewerbungen die Norm waren.[11] Die USA vermittelten 1952 ein Vorbereitungstreffen zur ersten von mehreren Konferenzen zwischen Südkorea und Japan. Die Konferenzen endeten 1965 mit dem Abschluss des Grundlagenvertrags zwischen Südkorea und Japan, welcher die alten Verträge zwischen dem Japanischen Kaiserreich und dem Koreanischen Kaiserreich vor und von 1910 für null und nichtig erklärte. Es wird gesagt, dass mit der japanischen Wirtschaftshilfe an Südkorea alle Argumente und Reparationszahlungen für den Zweiten Weltkrieg beigelegt wurden,[12] was jedoch heute noch die Beziehungen zwischen den beiden Ländern stark trübt. Der gegenwärtige Inselstreit zwischen den beiden Ländern um Takeshima (jp)/Dokdo (kor) beruht auf der alliierten Ablehnung der koreanischen Beteiligung am San Francisco Friedensvertrag von 1951. Südkorea deklarierte 1952 einseitig sein Territorium (Syngman Rhee Linie).

Nach der bedingungslosen Kapitulation wurde Japan für sechs Jahre (die Besatzungszeit dauerte in Teilen Japans bis 1972) von der alliierten Siegermacht USA besetzt. Japan verlor während dieser Periode alle diplomatischen Rechte, aber es existierte eine japanische Regierung. Japan wurde von den Alliierten indirekt regiert. Japanische Kriegsverbrecher (darunter auch Taiwanesen und Koreaner) wurden im von den Alliierten durchgeführten Tokio Tribunal verurteilt. Die Idee der Alliierten war, dass Japan nie wieder als militärische Macht auftreten würde. Im Lauf der Zeit wurde jedoch diese Ansicht geändert, da mittlerweile China von Maos kommunistischer Partei erobert wurde und die koreanische Halbinsel weiterhin instabil blieb. Angesichts dieser Situation wurde die Remilitarisierung Japans verlangt, aber die japanische Regierung nahm sich nur teilweise der Anfrage an (nämlich mit der Gründung der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte – Self Defense Forces SDF), und überliess die Verteidigung Japans den USA (Yoshida Doktrin genannt). Während der vergangenen 70 Jahre hat Japan die Kriegszeit nur ganz wenig analysiert. Heute noch bleiben viele Unklarheiten: wer war wofür verantwortlich und warum und wie die Kriegszeit begann. Ohne gross über die Geschichte nachzudenken haben die Japaner gleich damit begonnen, den Frieden zu bedenken, was aber die Lösung der Probleme vor allem mit China und Südkorea erschwert. Nach der Meiji Restauration 1868, die eine Wende Japans vom Feudalsystem hin zu einem modernen Staat darstellte, strebte Japan danach, sich mittels dem Aufbau eines neuen Staates mit starker Armee und starken Industrien, seine Unabhängigkeit gegenüber den westlichen Mächten zu bewahren. Nach dem Krieg verlor Japan seine Richtung, wohin es gehen will. Die Sicht richtet sich nur noch auf Japan selbst, als wäre Japan von der Welt abgeschnitten. Diese nach dem Zweiten Weltkrieg immer enger gewordene Weltanschauung ist ein grosser Verlust im Vergleich zu der offenen Weltanschauung nach der Meiji Restauration.

70 Jahre sind nun seit dem Kriegsende vergangen, aber in Ostasien harren diverse Probleme weiterhin einer Lösung. Die betroffenen Völker sollten die teils schmerzliche und grausame Geschichte gründlich aufarbeiten und Hand zu dauerhaften Lösungen bieten, um die Region gemeinsam vorwärts zu bringen.

 

[1] The Wall Street Journal: As Abe Speaks, Beijing Doesn’t Hear the Magic Words, April 30, 2015. [accessed June 29, 2015] http://blogs.wsj.com/japanrealtime/2015/04/30/as-abe-speaks-beijing-doesnt-hear-the-magic-words/

[2] Sankei Shinbun: Kounichisen wo omoni tatakattanowa Shoukaisekigunn da (Beim Krieg gegen Japan kämpfte hauptsächlich Chiang Kai-sheks Kuomintang), March 23, 2015. [accessed June 29, 2015] http://www.sankei.com/premium/news/150323/prm1503230003-n1.html

[3] Lee Peijung: Taiwan as an Internal Colony and the 228 Incident in Taiwan, Core Ethics Vol.4 (2008), Ritsumeikan University, Kyoto, Japan. [accessed July 20, 2015] http://www.ritsumei.ac.jp/acd/gr/gsce/ce/2008/lp01b.pdf#search=’%E4%BA%8C%E4%BA%8C%E5%85%AB%E4%BA%8B%E4%BB%B6+%E5%8F%B0%E6%B9%BE›

[4] Kansai Japan China Peace and Friendship Association: Chugokukugun setsuritsuhiwa (Eine unbekannte Geschichte von der Gründung der chinesischen Luftstreitkraft), November 5, 2005. Osaka, Japan. [accessed 1 July, 2015] http://www.kansai-jcpfa.jp/01aboutus/hiwa.html

[5] Wada, Hideho: Kokuminseifu no Tainichisenngosyorihoushin no Jissai (Die Realität der Nachkriegsordnung durch die Kuomintang Regierung), Research Report of Youth Researchers No. 1,2006, 123-133, International Center for Chinese Studies, Aichi University, Japan. http://iccs.aichi-u.ac.jp/archives/report/032/4a13b4c92757a.pdf#search=’%E8%92%8B%E4%BB%8B%E7%9F%B3+%E6%97%A5%E6%9C%AC%E8%BB%8D+%E6%88%A6%E7%8A%AF›

[6] Lin, Senson: Kenkokuzenya niokeru Moutakuto no Taibeisenryaku (Mao Zendongs Strategie gegen die USA am Vortag der Staatsbildung), Aisan Studies Vol. 49, No. 4, October 2003, Aoyamagakuin University, Tokyo. . [accessed 1 July, 2015] http://www.jaas.or.jp/pdf/49-4/3-25.pdf#search=’%E6%AF%9B%E6%B2%A2%E6%9D%B1+%E5%85%B1%E7%94%A3%E5%85%9A+%E6%97%A5%E6%9C%AC%E8%BB%8D%E3%81%AE%E6%AD%A6%E5%99%A8′

[7] GE Jianting: A Study on Chinese Land Reform from 1931 to 1952, Research Note, 139-145, March 20, 2009, Soka University, Tokyo. [accessed 1 July, 2015] http://libir.soka.ac.jp/dspace/bitstream/10911/3179/1/so33-139.pdf#search=’%E6%AF%9B%E6%B2%A2%E6%9D%B1+%E8%BE%B2%E5%9C%B0%E8%A7%A3%E6%94%BE›

[8] Institute for Peace Policies: Higashi Ajia to Chosenhantou (Ostasien und die koreanische Halbinsel), Tokyo, December 5, 2014. [accessed 1 July, 2015] http://ippjapan.org/archives/814

[9]: Price, John: A Just Peace? The 1951 San Francisco Peace Treaty in Historical Perspective, Japan Policy Research Institute, JPRI Working Paper No. 78, June 2001, California, US. [accessed July 10, 2015] http://www.jpri.org/publications/workingpapers/wp78.html

[10] Yasukuni Shrine, Tokyo [accessed July 10, 2015] http://www.yasukuni.or.jp/english/about/deities.html

[11] Collaborative Reference Database: Detail of reference example, National Diet Library, Japan, July 29, 2014.[accessed July 10, 2015] http://crd.ndl.go.jp/reference/modules/d3ndlcrdentry/index.php?page=ref_view&id=1000153060

[12] United Nation: Treaty on Basic Relations. No. 8471, Japan and Republic of Korea, on 22 June 1965, Tokyo. [accessed July 10, 2015] https://treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%20583/volume-583-I-8471-English.pdf

Related Posts: