Die Sicherheitspolitik Japans

Die geostrategische Bedeutung der Senkaku Inseln und die Probleme der Self-Defence Forces (SDF)

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Japan ein Alliierter der USA und steht unter dessen nuklearen Schutzschirm. Das Ende des Kalten Krieges, der unaufhaltsame Aufstieg Chinas und der machtpolitische Abstieg der USA haben die Lage in Asien nachhaltig verändert. Chinas maritime Expansion im Ost- und Südchinesischen Meer bis zum Indischen Ozean und Persischen Golf, der Taiwan-Konflikt, die nukleare Bedrohung durch Nordkorea sowie die Militärpräsenz Russlands im Pazifik haben für Japan zu einer neuen strategischen Lage geführt.

Als Inselstaat und Energieimporteur ist Japan auf sichere Seewege angewiesen (über 99% des gesamten japanischen Handelsvolumens wird über die Seewege abgewickelt)[1], was die geostrategische Bedeutung der Ryukyu-Inseln im Süden Japans, der Strasse von Malakka und des Indischen Ozeans hervorhebt. China hat bereits einige künstliche Inseln im Südchinesischen Meer errichtet und verlangt, dass 12 Seemeilen darum herum als chinesisches Hoheitsgebiet anerkannt werden. Amerikanische Kriegsschiffe und Überwachungsflugzeuge haben diese 12 Seemeilenzonen bewusst überschritten.[2] China hat das Verhalten der Amerikaner verfolgt. China will das gesamte Südchinesische Meer für sich beanspruchen. Sollte China sowohl das Süd- wie auch das Ostchinesische Meer beherrschen, dann würde das Land die Seewege in den Indischen Ozean und in den westlichen Pazifik kontrollieren. Aus seestrategischer Sicht ist insbesondere die Insel Hainan mit dem umfassenden Tiefseehafen für chinesische U-Boote sehr wichtig.

Aus chinesischer Sicht blockiert Japan mit seinen Inseln die Seewege Chinas in den Pazifik. Deshalb will China in einem ersten Schritt die Seeherrschaft über den westlichen Pazifik erlangen und zwar beginnend mit den Ryukyu-Inseln bis zur Malaiischen Halbinsel im Südchinesischen Meer. Sollten die USA und auch Japan gegenüber den bisherigen chinesischen Expansionen im Südchinesischen Meer nicht reagieren, dann dürfte China seine Expansion auf die Senkaku Inseln und das Ostchinesische Meer einschliesslich Taiwans durchsetzen. China wird sich aber nicht mit den Senkaku Inseln begnügen sondern auch auf Okinawa Anspruch erheben.

China hat enorm aufgerüstet und modernisiert seine Streitkräfte weiter. An der Militärparade in Beijing im September 2015 präsentierte China verschiedene Typen von ballistischen Boden-Boden-Flugkörpern und Marschflugkörpern. Der ballistische Flugkörper DF-21 weist eine Geschwindigkeit von 12000 Stundenkilometern (1700 km Reichweite) auf und könnte zu einer Bedrohung für die amerikanischen Trägerkampfgruppen im westlichen Pazifik werden. Deshalb wird dieser Flugkörper auch als Flugzeugträger-Killer bezeichnet. Auch der US-Stützpunkt Guam, der für die Sicherheit Japans sehr wichtig ist, könnte durch die Flugkörper DF-26 (3000 bis 4000 km Reichweite) abgedeckt werden. Dieser Flugkörper wird als Guam-Killer bezeichnet. Die Reichweite der interkontinentalen Flugkörper DF-5B erstreckt sich über die gesamte Kontinental-USA (mit den grossen Städten). Die Militärstützpunkte in Japan sind im Einsatzbereich der chinesischen Marschflugkörper. China dürfte auch in der Technologie der Miniaturisierung von nuklearen Gefechtsköpfen gewaltige Fortschritte gemacht haben.

Die Militärstrategie Chinas beruht auf den Prinzipien der Kriegskunst von Sun Tzu aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Dazu gehören insbesondere die mediale, die psychologische und die legale Kriegsführung.[3] Im Fall der Senkaku Inseln verbreitet China seine Ansprüche sowohl inner- als auch ausserhalb des Landes. Die SDF und die Japan Coast Guard werden immer wieder durch chinesische Militärflugzeuge und Schiffe provoziert. China definiert die ADIZ, die Hoheitsgewässer und die EEZ zu seinen Gunsten und versucht chinesisches Recht in internationalen Gewässern durchzusetzen. So verlangt China von ausländischen Schiffen, die durch die von der Hainan Provinz verwalteten Zonen (mehr als zwei Drittel des Südchinesischen Meers) durchfahren, eine Erlaubnis dazu.[4] Innerhalb der chinesischen Hoheitsgewässer und auch der EEZ wird die freie Navigation gemäss dem Seerechtsübereinkommen der UN (UNCLOS) gewährleistet.

Immer wenn die Nachbarstaaten Chinas Zeichen der Schwäche und Unentschlossenheit zeigen, nützt China dies aus, um seine Macht zu festigen und durchzusetzen. So sind seit einiger Zeit verschiedene Inseln und Riffe/Klippen im Südchinesischen Meer unter chinesische Kontrolle geraten. Eine starke Präsenz der USA in dieser Region wird deshalb immer wichtiger. Sollten die USA nur zögernd auf die Machtansprüche Chinas reagieren, dann könnte Japan als US-Alliierter das Vertrauen in die Schutzmacht USA verlieren, und das Bündnissystem würde sich auflösen. Dabei wäre auch die Verteidigungsfähigkeit der Stützpunkte auf Okinawa betroffen. Im Falle einer Auflösung des Bündnisses mit den USA müsste Japan die Verteidigung und den Schutz der Senkaku (Diaoyu) Inseln selbst übernehmen. Die Zuverlässigkeit Südkoreas, das zunehmend zwischen den USA und China laviert, ist auch für die Sicherheit Japans eine Herausforderng.

Für eine autonome Verteidigung des japanischen Hoheitsgebiets und für den Schutz der japanischen Seewege müsste die SDF aufgerüstet und modernisiert werden. Dazu würde auch der Aufbau einer eigenständigen Logistik mit Transportflugzeugen gehören. Da die Reichweite zwischen den Senkaku Inseln und der Okinawa Hauptinsel bzw. Kyushu sehr gross ist, müssten auch auf den Ryukyu Inseln Stützpunkte errichtet werden. Des Weiteren müssten auf den Ryukyu Inseln auch Fliegerabwehrstellungen errichtet werden. Auch die Beschaffung von Marschflugkörpern wäre ein wichtiger Beitrag zu einer autonomen Verteidigung Japans.

Die SDF ist eine Berufsstreitmacht. Die Anwerbung junger Menschen stellt eine grosse Herausforderung dar (nur zu ca. 72% erfüllt im März 2014)[5]. Im Vergleich zu den Streitkräften der Nachbarstaaten weisen die SDF einen geringen Bestand auf. Als Vergleich zum Bestand der SDF: die US-Streitkräfte haben einen Bestand von 0.9% der Gesamtbevölkerung, für China sind es 1%, für Südkorea 16.3% und für Taiwan 8.4%. Nimmt man 1% als optimalen Richtwert, dann müsste die SDF einen Bestand von ca. 1.27 Millionen Mann aufweisen. Tatsächlich sind es lediglich 300,000.[6] Die SDF ist zu klein, um Japan, das das sechstgrösste Territorium (inkl. Exclusive Economic Zone EEZ) in der Welt aufweist, heute autonom verteidigen zu können.

Ein weiteres Problem der SDF ist die fehlende Fähigkeit zur Führung von Joint Operations. Das Führungssystem der drei Waffengattungen – Land-, See- und Luftstreitkräfte – müsste dazu vereinheitlicht und optimiert werden.

Der Pazifismus ist in Japan sehr stark verankert. Der Bevölkerung und vielen Politikern fehlt das Verständnis für die Bedeutung der Landesverteidigung und damit der SDF. Die SDF ist gemäss der japanischen Verfassung immer noch keine militärische Organisation. So gilt für die SDF weitgehend immer noch die zivile Gesetzgebung. Der SDF-interne Funkverkehr ist mit dem Problem konfrontiert, dass wegen des Ministeriums für Innere Angelegenheiten die für die SDF erlaubten Frequenzbereiche sehr begrenzt sind.[7]

Wie Chinas expansive Machtpolitik um die umstrittenen Inseln im Südchinesischen Meer aufzeigt, haben schwache Länder gegenüber den Drohungen des Reichs der Mitte keine Chance. Deshalb muss Japan seine Streitkräfte verstärken und durch die Änderungen der Verteidigungsgesetze seinen Willen für eine starke Verteidigungsfähigkeit demonstrieren.

[1] Ministry of Defense of Japan: Defense of Japan 2013 (Annual White Paper), P. 137.

[2] The Guardian: US threatens further naval incursions despite furious reaction from China, October 27, 2015. [accessed October 27, 2015] http://www.theguardian.com/world/2015/oct/27/us-navy-international-law-south-china-sea

[3] U.S. congress, Office of the Secretary of Defense: The Annual Report to Congress, Military and Security Developments Involving the People’s Republic of China 2011, 26. [accessed November 30, 2012] http://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/2011_CMPR_Final.pdf

[4] China apprehending boats weekly in disputed South China Sea, March 6, 2014. [accessed March 10, 2014] http://www.reuters.com/article/2014/03/06/us-china-parliament-seas-idUSBREA2512I20140306

[5] Japan Ministry of Defense: Defense White Paper 2014, Reference 65, Authorized and Actual Strength of Self-Defense Personnel, 457. [accessed June 1, 2015] http://www.mod.go.jp/e/publ/w_paper/pdf/2014/DOJ2014_reference_web_1031.pdf

[6] Higuchi, Joji: Jieitai no Genyusenryokude Wagakuni wo mamorerunoka? (Können die jetzigen Streitkräfte des SDF Japan verteidigen), JFSS Report Vol. 3, July 11, 2013, Japan Forum for Strategic Studies, Tokyo, Japan. [accessed October 20, 2015] http://jfss.gr.jp/news/jfssreport/2/20130711.htm

[7] Kiyotani, Shinichi: Kougakuna Sokikeikaiki ga Nihondewa Kekkanki data (Teures AWACS-Flugzeug ist eine fehlerhafte Maschine in Japan), Toyokeizai, October 21, 2015. [accessed October 25, 2015] http://toyokeizai.net/articles/-/88753

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