Machtspiele in Nordost- und Südostasien

Während die Welt besorgt auf die nordkoreanischen Raketentests blickt, treibt China seine Expansionspolitik im Südchinesischen Meer weiter voran und schafft Tatsachen.

Nordkoreas Raketentests und die Reaktionen darauf

Im August und September 2017 wurden nordkoreanische Raketen über Nordjapan hinweg in den Pazifik geschossen. Die Ziele Nordkoreas sind angeblich die Existenzsicherung des Kim-Regimes, der Abschluss eines Friedensabkommens mit den USA und die Akzeptanz des Nuklearwaffenbesitzes.

Eine chinesische Zeitung schrieb in einem Leitartikel, dass China nicht intervenieren und neutral bleiben würde, sollte Nordkorea zuerst amerikanische Territorien angreifen und die USA Vergeltung übten. Wenn die USA und Südkorea aber versuchten, die Machtbalance auf der Halbinsel mittels militärischer Gewalt zu ändern, werde China dies verhindern.[1] Die USA antworteten anscheinend in einer amerikanischen Zeitung dahingehend, dass kein Interesse an einer Stationierung in Nordkorea bestehe.[2] Daraus könnte eine Vereinbarung zwischen Amerika und China gefolgert werden, aber mit Russland bräuchte es ebenfalls noch ein Übereinkommen. Angesichts dieser veränderten Situation könnte Nordkorea weitere Raketentests nur noch in einer bestimmten Richtung zum Pazifik hin weiterführen, nämlich über Nordjapan, da diese Route weder amerikanische Territorien noch Inseln berührt. Die Gefahr, dass das amerikanische Festland mit einer mit einem nuklearen Sprengkopf versehenen Rakete erreicht werden kann, steigt indessen mit jedem erfolgreichen Test. Je länger zugewartet wird, desto ausgereifter wird die Raketentechnologie Nordkoreas.

Die Zukunft der koreanischen Halbinsel

Die Zukunft der koreanischen Halbinsel und Japans hängt sehr stark davon ab, zu welchem Zeitpunkt die USA mit Nordkorea überhaupt in Verhandlungen treten will. Falls für Nordkorea ˗ wie für Pakistan und Indien ˗ die atomaren Fähigkeiten (der Besitz von Atomwaffen mit beschränkter Reichweite) akzeptiert würde, wird die Glaubwürdigkeit des US Nuklearschirms für Japan und Südkorea in Frage gestellt werden. Eine ähnliche Situation wie im Europa der 70er und 80er Jahre mit der Proliferation von Mittelstreckenraketen ist vorstellbar, was weitere Argumente zur Nuklearisierung Südkoreas und Japans nach sich ziehen könnte. Ein amerikanischer Truppenabzug aus Südkorea mit gleichzeitiger Stationierung amerikanischer Kurzstreckenraketen mit Nuklearsprengköpfen ist ebenfalls eine Option. US-Truppen blieben in Japan stationiert, aber ohne atomare Befähigung, denn China und eventuell auch die USA würden ein atomar befähigtes Japans nicht erlauben. Wenn Südkorea dem Schutz der USA misstraute, könnte es sich China und Russland annähern, was Japans Verteidigung in eine schwierige Lage manövrieren würde.

Würde Nordkoreas Besitz der atomaren Fähigkeiten akzeptiert, könnte das atomare Arsenal sowie die Raketentechnologie strikt von den USA, China und Russland kontrolliert werden. Die Gefahr der (heimlichen) Weitergabe dieser Technologie an Länder im Mittleren Osten oder sogar an Terroristen kann derweil nicht ausgeschlossen werden.

Solange China und Russland eine Pufferzone auf der koreanischen Halbinsel brauchen, kann Nordkorea hart und unkooperativ bleiben, obwohl es auf Chinas Wirtschaftshilfe und Energielieferungen angewiesen ist. Eine strikte Durchsetzung von harten Sanktionen würde den Handlungsspielraum Nordkoreas deutlich einschränken. China profitiert aber in jedem Fall immer vom Nordkorea-Problem, obschon China von Nordkoreas Auftreten langsam irritiert ist. Wenn die USA Nordkorea angriffen, bliebe die Pufferzone jedoch erhalten; ansonsten interveniert China höchstwahrscheinlich. Dieses neue Nordkorea befände sich unter stark chinesischem aber auch russischem und eventuell amerikanischem Einfluss. Chinas Verhandlungsposition gegenüber den USA, Russland, Japan, Süd- und Nordkorea bleibt sehr gut mit oder ohne durch einen Angriff herbeigeführten Regimewechsel.

Angesichts der zunehmenden Wichtigkeit der Nordostpassage will Russland den Fernen Osten inklusive des gemieteten nordkoreanischen Hafens, der auch von China und der Mongolei benutzt wird, weiter entwickeln. Dies ist anscheinend der Schlüssel zur russischen wirtschaftlichen Entwicklung in Asien. Die Existenz Nordkoreas und eine gewisse Einflussnahme auf das abgeschottete Land sind daher nebst der Pufferzone in Russlands Interesse.

China expandiert, Amerika kontrahiert

Während die Welt auf die nordkoreanischen Raketentests fokussiert, verstärkt China seine Expansionspolitik im Südchinesischen Meer. Nebst militärischen Anlagen werden auch Ferienresorts auf den künstlich ausgebauten Inseln, die auch Territorien von ASEAN Ländern umfassen, geplant. China besitzt 20 Stützpunkte auf den Paracel Inseln und entwickelt die militärischen Infrastrukturen. Auf Riffen der Spratly Inseln wird eine Infrastruktur vor allem zur Verstärkung der Radarsysteme gebaut, und die duale Nutzung dieser Riffe steht kurz vor dem Abschluss. Zusammen mit Woody Island (Paracel Inseln) ermöglichen die Riffe den Flugstreitkräften Chinas fast im ganzen Raum operative Fähigkeiten. Truppeneinheiten Chinas wurden im Juli 2017 zu ihrer ersten ausländischen Militärbasis in Dschibuti .entsandt. China kann auch seine Expansion in Afrika intensivieren. Indien wird dadurch angeblich von chinesisch dominierten Häfen umzingelt. Wegen weiterer territorialer Konflikte zwischen den beiden Ländern entwickelte sich eine verstärkte Kooperation zwischen Indien und Japan. Derweil beklagen die auch im Südchinesischen Meer agierenden US Seestreitkräfte bereits vier Unfälle im Pazifik. Kollisionen mit Tankern im Juni und August 2017 beschädigten zwei Lenkraketenzerstörer und töteten 17 Matrosen. Kosteneinsparungen beim Unterhalt und Training wurden als Gründe für die Unfälle angeführt,[3]

Xi Jinping und die Volksarmee

Im Oktober dieses Jahres wird der wichtigste alle fünf Jahre stattfindende Parteitag Chinas abgehalten. Der Parteivorsitzende Xi Jinping könnte dabei seine politische Macht festigen, aber ob er auch die Streitkräfte (Volksbefreiungsarmee, VBA) fest unter seiner Kontrolle hat, könnte ungewiss bleiben. Anfang September 2017 wurden einige hochrangige Offiziere der VBA überraschend verhaftet oder ausgewechselt, was sonst nach dem Parteitag üblich ist.[4] Xi Jinping versuchte wohl, die Einflüsse seiner politischen Gegner auf die VBA zu beseitigen. Eine andere Spekulation besagt, dass die Armee bei einem US Angriff auf Nordkorea ihre Mission effizienter durchführen könnte. Des Weiteren wird gesagt, dass Xi Jinping eine Intervenierung der VBA in Nordkorea trotz seines gegenteiligen Befehls vermeiden wolle. Ende Juli 2017 trug er beim 90-jährigen Jubiläum der VBA eine Militäruniform, um zu zeigen, dass die Armee strikt seinen Befehlen folgen muss. Wenn Xi Jinping seine Streitkräfte nicht unter Kontrolle hat, dann könnte die chinesiche Armee im Süd- und Ostchinesischen Meer und darüber hinaus im Indischen Ozean und im Pazifik noch provokativer werden.

Zusammenarbeit der Seemächte

Nebst den Seemächten im Pazifik arbeitet Japan auch bald mit England zusammen. Eine Sicherheitszusammenarbeit wurde Ende August 2017 beschlossen und erste gemeinsame militärische Übungen sind vorgesehen. Frankreich, welches grosse Territorien im pazifischen Raum hat, zeigt ebenfalls starke Interesse an einer Zusammenarbeit. Taiwan könnte zumindest versuchen, sich diesem Bündnis anzuschliessen. Ob Chinas Expansion im Ost- und Südchinesischen Meer gestoppt werden kann, liegt an der entschlossenen Zusammenarbeit und einer gewissen Aufrüstung der Staaten in dieser Region und an Verhandlungen zwischen den USA und China über Nordkorea. Einige Staaten haben jedoch auch andere wichtige Probleme wie den Kampf gegen den IS Terrorismus. Die koreanische Halbinsel ist eine sehr publikumswirksame Problemregion, deren Einflüsse aber auf eine viel grössere Region ausstrahlen. Im Grund geht es um die Machtbalance in der asiatisch-pazifischen und ozeanischen Region. Machtlücken können dabei fatale Konsequenzen haben.

 

[1] Global Times: Reckless game over the Korean Peninsula runs risk of real war, August 10, 2017. [Stand 11.08. 2017] http://www.globaltimes.cn/content/1060791.shtml

[2] Wall Street Journal: We’re Holding Pyongyang to Account, Jim Mattis and Rex Tillerson, August 14, 2017, The White House Office of the Press Secretary, August 14, 2017. [Stand 14.08. 2017] https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/08/14/mattis-and-tillerson-were-holding-pyongyang-account

[3] Bloomberg: Navy Ships Suffered From Shoddy Maintenance, Overworked Sailors, September 6, 2017. [Stand 07.09. 2017] https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-09-06/navy-ships-suffered-from-shoddy-maintenance-overworked-sailors

[4] Reuters: China names new commanders for army, air force in reshuffle, September 1, 2017. [Stand 03.09. 2017] https://ca.reuters.com/article/topNews/idCAKCN1BC3L1-OCATP

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