Neue Machtspiele und -konstellationen in Asien

Das Kräftemessen der USA und China ist offensichtlich. Wie entwickelt sich das Verhältnis zwischen Russland und Japan sowie den USA und Russland? Bedeutet die scheinbare Annäherung Süd- und Nordkoreas eine baldige Vereinigung? Angesichts der möglichen Konstellationen werden die Akteure in der Region ihre Macht neu definieren und behaupten müssen.

 Nach der Winterolympiade in Südkorea kam sichtlich Bewegung in die politische Landschaft der verschiedenen Länder wie Nordkorea, Südkorea, China, den USA, Russland und Japan. Angekündigt wurden Treffen zwischen den Spitzen beider Korea und auch der USA und Nordkorea. Bereits besuchte Kim Jong-un Peking Ende März 2018, was die ganze Welt überraschte. Obwohl Xi Jinping durch die Verfassungsänderung seine politische Macht in China gefestigt hat, sah es so aus, als hätte er seinen Einfluss auf Nordkorea verloren, weil Nordkorea via Südkorea ein Treffen mit dem US Präsidenten ankündigte. Trotzdem könnte der Besuch Kim Jong-uns bei Xi Jinping für beide Seiten vorteilhaft gewesen sein. Xi Jinping einerseits konnte sein Gesicht wahren und Verhandlungsoptionen gegen die USA ausweiten; Kim Jong-un hat sich andrerseits wohl der Unterstützung Chinas versichert. Kurz vorher besuchte eine russische Delegation, geleitet vom Minister des Ministeriums für Entwicklung des Fernen Ostens, Pjöngjang. Der nordkoreanische Aussenminister besuchte Anfang April 2018 Moskau wie bereits davor schon der chinesische Aussenminister dort zu Gast gewesen war. Der japanische Premierminister Abe traf am 17. April 2018 den US Präsidenten Trump, um vor dem vorgesehenen Treffen zwischen Trump und Kim Jong-un die weiteren Strategien beider Länder gegenüber Nordkorea abzustimmen. Selbst wenn Kim Jong-un den Verzicht auf das nukleare Programm ansprechen würde, könnte dieser Verzicht bloss temporär sein, denn Nordkorea könnte seine Wissenschaftler und Ingenieure sowohl im In- wie auch im Ausland bereithalten. Nordkorea ist reich an Bodenschätzen inklusive Uran. Auch ob das gesamte nordkoreanische Atomwaffenarsenal von IAEA Inspektoren gefunden würde, ist fraglich, da die nordkoreanische Atomfähigkeit bis jetzt kaum festgestellt werden konnte.

Die koreanische Halbinsel und Japan

Japan versucht ebenfalls, an Verhandlungen teilzunehmen. Japan hat ausser der nuklearen Bedrohung auch ein wichtiges gesellschaftliches Problem, nämlich die in den 1970er und 1980er Jahren von Nordkorea entführten Japaner (17 bestätigt und über 800 vermutet[1]); bis jetzt kehrten nur fünf Japaner zurück. Würde diese Entführungsangelegenheit erfolgreich geregelt, könnten enorme wirtschaftliche Hilfsgelder Japans nach Nordkorea fliessen. Südkorea will scheinbar eine Vereinigung mit Nordkorea, aber für die Kim Familie ist eine Vereinigung der Halbinsel nur unter nordkoreanischer Führung vorteilhaft, ansonsten ist die Vereinigung unerwünscht.

Obwohl die Legitimation der Kim Familie fraglich ist, erkennen beide Korea stillschweigend Nordkorea als das vor und während des Zweiten Weltkriegs um Unabhängigkeit kämpfende Land an. Nordkorea könnte gegenüber Südkorea die geschichtliche Entwicklung ausnützen, um seine Führung stetig auszubauen. Angesichts solch möglicher Szenarien könnte Japan zukünftig mittels wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit Russland in der Region des Fernen Ostens versuchen, wichtige Beziehungen zu verstärken. Premier Abe plant ein Treffen mit Putin.

Politische Kursänderungen der USA

US Präsident Trump unterzeichnete im März 2018 einen Beschluss, der nun offizielle Reisen von und nach Taiwan zulässt, was China umgehend ärgerte. Trump erlaubt auch amerikanischen Unternehmen, Technologie zu liefern, die beim Bau taiwanesischer U-Boote gebraucht wird. Die USA haben ebenfalls mehrere Handelsstreitigkeiten mit vielen Staaten begonnen; vor allem wegen Verletzung des geistigen Eigentums werden die USA wirtschaftliche Sanktionen gegen China verhängen. Die im November 2018 stattfindenden US Halbzeitwahlen und die Schwächung des chinesischen Militärwachstums liegen den Handelsstreitigkeiten zu Grunde. Obwohl China immer wieder die Förderung des Freihandels und offener Märkte ankündigt, ist die Umsetzung nicht zu erwarten, weil die Existenz der chinesischen kommunistischen Partei mit dem freien Handel kaum in Übereinstimmung gebracht werden kann. In Amerika beginnt das FBI Investigationen gegen die von der chinesischen Regierung finanzierten Confucius Institute wegen des Verdachts auf verdeckte Spionage. Trumps Amerika versucht anscheinend den Handelsstreit auch mit der Sicherheitspolitik alliierter Länder, vor allem Südkorea und Japan zu verlinken, was deren Militärbudgets stark belasten könnte. Des Weiteren könnten die Machtspiele im Nahen Osten und die Entscheidung Trumps für oder gegen das Atomabkommen mit Iran mit der asiatischen Politik in einer wechselseitigen Beziehung stehen.

Russland im Südchinesischen Meer und Ostasien

Russland und Vietnam haben Anfang April 2018 bis 2020 laufende Pläne zur militärischen Kooperation vereinbart. Russische Seestreitkräfte werden sich beispielsweise bei vietnamesischen Rettungsaktionen im Südchinesischen Meer beteiligen, wodurch russische Präsenz im Südchinesischen Meer ermöglicht wird. Zum ersten Mal nach dem Vietnamkrieg besuchte im März 2018 auch ein US-Flugzeugträger Vietnam. Wie es zwischen den USA und China im Südchinesischen Meer weiter geht, ist im Auge zu behalten. Die chinesischen Seestreitkräfte führten im April 2018 das bis anhin grösste Manöver im territorial umstrittenen Südchinesischen Meer und auch in der Taiwanstrasse durch.  Russland diskutierte im Januar 2018 auch mit Laos über eine mögliche militärische Kooperation. Ein neues Bild der Macht in Asien könnte sich materialisieren, wobei Russland geschickt zwischen den konkurrierenden Akteuren Amerika und China agiert. Trotz wichtiger Energiequellen verkleinert sich die Bevölkerungszahl im Fernen Osten Russlands.  Angesichts massiv zunehmender chinesischer Händler und Arbeiter in der Region könnte China einen territorialen Anspruch erheben, denn Russland erhielt im Jahr 1860 diese Region von der Qing-Dynastie. Die wirtschaftliche Entwicklung in der Region ist darum für Russland genauso wichtig wie die geopolitische Lage in Ost- und Südasien.

Fazit

Je nach der Situation auf der koreanischen Halbinsel könnten sich die US Truppen in Südkorea stufenweise zurückziehen. Die USA reduzierten sowohl ihre Mannschaftsstärke als auch die Dauer der gemeinsamen Manöver mit Südkorea nach der Winterolympiade. Falls Japan mit Nordkorea über die Freilassung der entführten Japaner verhandelt, sind grosse Vorsicht und strukturierte Kontrollmechanismen unentbehrlich. Nach der misslungenen Vereinbarung zwischen den USA und Nordkorea im Jahr 1994 verlangten die USA im Jahr 2004 harte Bedingungen, so genannte CVID (complete, verifiable, irreversible dismantlement). Nordkorea hat jedoch bis heute ungeachtet aller Regeln und Sanktionen – aber mit der durch Verhandlungen gewonnenen Unterstützung – das Atomprogramm und die Raketentechnologie weiterentwickelt.[2] Das Scheitern der Sanktionen muss kritisch hinterfragt werden, aber Bedingungen wie die CVID dürfte die Kim Familie nicht akzeptieren, denn ohne Nuklearfähigkeit könnte Nordkorea die gleiche düstere Zukunft wie Libyen und Irak bevorstehen. Die Möglichkeit, dass die USA eine minimale Nuklearbefähigung Nordkoreas akzeptieren, kann nicht ausgeschlossen werden, wenn China und Russland den USA die Überwachung der friedlichen Entwicklung Nordkoreas zusichern können.

Die USA verfolgten durch die Unterstützung für China eine Eindämmungspolitik gegenüber der Sowjetunion. Nach dem Kalten Krieg förderte Amerika eine Politik des Engagements gegenüber China. Die Idee der wechselseitigen Abhängigkeiten, wodurch China sich mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung in die Richtung einer demokratischen Gesellschaft bewegen würde, scheint fehlgeschlagen zu sein. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die USA zusammen mit Russland eine Eindämmungspolitik gegenüber China beginnen, wenn die derzeitigen Turbulenzen überwunden werden können. Ob die USA ihren politischen Kurs überhaupt ändern werden und wie und wann, ist einer der entscheidenden Faktoren der Weltpolitik.

[1] Secretariat of the Headquarters for the Abduction Issue: Abductions of Japanese Citizens by North Korea, Tokyo. https://www.rachi.go.jp/en/ratimondai/kanousei.html

[2] Arms Control: The Six-Party Talks at a Glance, July 2017. https://www.armscontrol.org/factsheets/6partytalks

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