Die chinesische Expansionspolitik im Süd- und Ostchinesischen Meer schränkt die Interessen der ASEAN-Staaten und Japans ein. Die Philippinen haben deshalb den USA die Benützung des Militärstützpunktes Subic Bay Naval Base wieder ermöglicht. Die Philippinen wollen auch mit Japan ein „Visiting Forces Agreement (VFA)“ abschliessen. Vietnam hat mit Japan für 2016 den Besuch des Hafens Cam Ranh durch die Japan Maritime Self-Defense Forces (JMSDF) vereinbart. Seit 2014 dürfen japanische Aufklärungsflugzeuge P-3C der Self-Defence Forces (SDF) auf ihrem Rückflug nach der Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias in Vietnam zwischenlanden. Japan möchte auch die philippinische Insel Palawan und die malaysische Insel Labuan als Anlaufhäfen („ports of call“) benützen. Die Sicherheit der Seewege durch das Südchinesische Meer dürfte die Einsätze Japans in diesem wichtigen geopolitischen Raum bestimmen.
Für die chinesische Expansion im Südchinesischen Meer dürfte es drei Gründe geben. Die ASEAN-Staaten verfügen über keine wirksamen Seestreitkräfte. Dagegen markieren im Japanischen und Ostchinesischen Meer die USA, Japan, Südkorea und Taiwan eine überzeugende Präsenz ihrer Seestreitkräfte. China sieht das Südchinesische Meer als eine Art Binnenmeer an, das es zu kontrollieren gilt. Es ist durchaus denkbar, dass durch die Machtentfaltung Chinas die Führung in Beijing von der Unzufriedenheit unter der eigenen Bevölkerung ablenken möchte. Der zweite Grund ist der, dass die Hainan-Insel für die chinesischen U-Boote der wichtigste Hafen ist. Von diesem Hafen aus können die U-Boote Chinas direkt ins tiefe Meer gelangen. Das Aufspüren und die Verfolgung durch gegnerische U-Boote dürften dabei sehr schwierig sein. Der chinesische Plan zur Errichtung einer Wirtschaftsverbindung über Land und Meer – die neue Seidenstrasse – dürfte der dritte Grund sein. Diese Seidenstrasse würde im Südchinesischen Meer beginnen und durch den Indischen Ozean und das Arabisches Meer ins Mittelmeer und in den Atlantischen Ozean führen. Diesen Plan kann China nur durch eine Kontrolle des Südchinesischen Meeres erreichen.
Trotz der Tatsache, dass der wichtigste Seeweg Japans über das Südchinesische Meer führt, muss Japan seine Streitkräfte in diesem Raum vorsichtig einsetzen. Erstens sind die ASEAN-Staaten von der chinesischen Wirtschaft sehr abhängig und wollen deshalb keine Konflikte mit China riskieren. Die Bevölkerungen der ASEAN-Staaten, wie auch jene Australiens, weisen einen hohen Anteil an Chinesen auf. Deren wirtschaftliche Netzwerke könnten ohne Weiteres für politische Zweck eingesetzt werden. Verschiedene ASEAN-Staaten misstrauen Japan aufgrund der Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg bis heute. Gleichzeitig ist es fraglich, ob Japan über genügend Seestreitkräfte für Einsätze im Südchinesischen Meer verfügt. Bereits jetzt sind die japanischen Seestreitkräfte durch die Einsätze im Ostchinesischen Meer zwecks Eindämmung Chinas, im Japanischen Meer gegenüber Russland sowie bei der Bekämpfung der Piraterie überdehnt. Auch die nordkoreanische Bedrohung darf nicht ausser Acht gelassen werden. Ein Konflikt im Südchinesischen Meer zwischen japanischen und chinesischen Seestreitkräften könnte Japan überfordern.
Die chinesische Strategie zur Kontrolle der Ersten und Zweiten Inselkette ist bekannt. China errichtet bereits jetzt innerhalb der Ersten Inselkette auf einigen Inseln Militärstützpunkte. Die USA verfügen über den grossen Militärstützpunkt auf Guam, der an der Grenze zur Zweiten Inselkette liegt. Der Raum zwischen den beiden Inselketten ist noch unbesetzt. Nur wenn Japan, Australien und die Anrainerstaaten zusammenwirken würden, könnte eine chinesische Expansion in diesem Zwischenraum verhindert werden. Australien beabsichtigt zum gegenwärtigen Zeitpunkt entweder aus Deutschland, Frankreich oder Japan neue U-Boote zu beschaffen. Entscheidet sich Australien für französische oder deutsche U-Boote, dann könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass Australien China nicht provozieren will und nicht in die Konflikte im Südchinesischen Meer einbezogen werden möchte. Eine Entscheidung zugunsten japanischer U-Boote könnte dagegen auf eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Australien und Japan im Südchinesischen Meer hinweisen. Zu beachten ist auch, dass der Verkauf von U-Booten an Australien für Japan nicht unproblematisch sein könnte. Japan und Australien haben kein gemeinsames Sicherheitsabkommen. Die neue australische Regierung gilt als pro-chinesisch und ein geheimer Transfer der U-Boot-Technologie nach China wäre in diesem Fall denkbar.
Aufgrund der 2015 erneuerten Richtlinien für die Verteidigungskooperation mit Japan verlangen die USA bereits heute von Japan mehr Einsätze im Südchinesischen Meer. Solange aber die ASEAN-Staaten kein geschlossenes Auftreten gegenüber der Expansionspolitik Chinas beweisen, könnte Japan bei einem Zwischenfall mit China keine Unterstützung seitens dieser Staaten erwarten. Die Zeit für einen japanischen Einsatz im Südchinesischen Meer ist deshalb noch nicht reif. Die japanische Führung muss mit Priorität zuerst das eigene Land schützen.