Über den aktuellen Handelsstreit zwischen Japan und Südkorea wird im Kontext der Geschichte beider Länder berichtet. Die Lage eskaliert weiter und Boykottaktionen gegen japanische Produkte vermehren sich in Südkorea. Was steckt hinter der Eskalation des Streits und den Unstimmigkeiten zwischen den beiden Ländern?
Eine südkoreanische Zeitung berichtete im Mai 2019 über illegale Exporte für strategisch wichtige Produkte (bisher sind über 156 Fälle zwischen 2015 und März 2019 bekannt geworden). Die Namen der Firmen wurden aber nicht veröffentlicht, und es könnte sich nur um die Spitze des Eisbergs handeln. Seit der jetzige südkoreanische Präsident Moon Jae-in im Amt ist (Mai 2017), nahm sowohl die Importmenge dreier wichtiger Materialien von Japan als auch die Anzahl südkoreanischer illegaler Exporte gemäss Daten der Behörden Südkoreas massiv zu.
Anfang Juli verschärfte Japan die Exportkontrolle für diese drei Materialien nach Südkorea und beschloss darüber hinaus, die Vorzugsbehandlung beim Handel mit Südkorea einzustellen. Die aktuell von Südkorea beanstandete Massnahme Japans ist darum weder eine Exportrestriktion noch ein Exportverbot.
Die Verschärfung der Exportkontrolle Japans wird angeblich als Sanktion gegen die Verletzung des Vertrags von 1965 zwischen Südkorea und Japan gesehen. Die vom obersten südkoreanischen Gerichtshof akzeptierte Klage um weitere Zahlungen an ehemalige südkoreanische Arbeiter während des Zweiten Weltkrieges handelt es sich wohl um eine südkoreanische innenpolitische Angelegenheit, weil damalige Arbeiter bereits sogar zwei Mal durch die südkoreanische Regierung Gelder von Japan erhielten (1970er und 2007). Gegen den ausdrücklichen Willen Japans beim Abschluss dieses Vertrags, das direkte Zahlungen an Individuen vorsah, vereinnahmte die damalige südkoreanische Regierung die gesamten Entschädigungen und Hilfsgelder und übernahm dadurch die Verantwortung zur Verteilung dieser Gelder. Südkorea investierte die Gelder zuerst in den Aufbau des Landes, aber verteilte sie tatsächlich später an Individuen, wie oben erwähnt.
Angesichts der sich zuspitzenden Situation veröffentlichte ein südkoreanischer Wissenschaftler eine Studie über die Arbeitskonditionen von Koreanern und Japanern in Japan während der Kriegszeit. Gemäss seinem Bericht gab es keine Lohnunterschiede zwischen den Arbeitern, die nicht mit der Arbeitserfahrung erklärt werden konnten. Solche Berichte von Südkoreanern sind äusserst selten, da Japan-Sympathisanten vor und während der Kriegszeit und auch in der Gegenwart als Feinde gelten. Diese Tendenz verstärkte sich noch wegen einer von Präsident Moon Jae-in im März 2019 gehaltenen Rede, worin er ausführte, dass die noch existierenden Japan-Sympathisanten inklusive der von Japan übernommenen Kulturelemente und Gegenstände liquidiert werden müssten. Die jüngeren Generationen reagieren leicht auf solche Aufrufe, denn sie sind mit einer anti-japanischen Erziehung aufgewachsen. Die Popularität von Präsident Moon ist wieder gestiegen. Je stärker Politiker anti-japanische Massnahmen äussern, desto höher wird ihre Popularität. Aber eine Gegenbewegung zu Anti-Japan und der zugunsten Südkoreas verdrehten Geschichte hat jetzt doch in Südkorea begonnen. Am 15. August versammelten sich in Seoul doppelt so viele Leute zu einer Kundgebung gegen die anti-japanische Politik als die anti-Japan Demonstranten aufbieten konnten. Einige südkoreanische Wissenschaftler verfassten ein Buch, in dem verschiedene Fakten zur japanischen Annexionszeit vorgelegt wurden, was viele Südkoreaner vor allem der jüngeren Generationen als bisher unbekannte Geschichte empfinden. Das Freiheit und Demokratie geniessende Südkorea gehört zur westlichen Gesellschaft, im Gegensatz zu China oder Nordkorea.
Gemeinsame militärische Manöver zwischen Südkorea und den USA fanden im August 2019 statt, obwohl Präsident Moon zu einer Kooperation mit Nordkorea aufrief, um mit Japan zu konkurrieren.
Nordkorea hat zahlreiche Japaner gekidnappt, und diese Japaner können noch nicht nach Japan zurückkehren. Zudem wird Japan andauernd von nordkoreanischen Raketentests bedroht. Die USA, Südkorea und Japan arbeiten zusammen gegen Nordkorea. So wurde im Jahr 2016 eine Vereinbarung über den militärischen Informationsaustausch (GSOMIA) zwischen Südkorea und Japan abgeschlossen. Falls Südkorea jedoch, wie der amtierende Präsident äussert, sich eine Zusammenarbeit mit Nordkorea erwünscht, um gegen Japan zu kämpfen, wäre die Einhaltung der Vereinbarung schwierig.
Da nicht mehr nur Fakten, sondern auch national sanktionierte «Geschichte(n)» zwischen den beiden Ländern in die gegenwärtigen Streitereien eingewoben sind, kann wohl nur die Zeit die zugespitzte Situation moderieren. Die regierenden Politiker sind dafür verantwortlich, Gelassenheit, Mässigung und Vernunft anzumahnen, anstatt das Volk aufzuhetzen. Die Geschichte soll man nicht vergessen; man soll sie aber auch nicht immer in neue Geschichten einweben.
Ref:
Chosun: Tairyohakaiheiki ni tenyokano na Senryakubusshi, Kankoku karano Ihoyushutsu ga kyuzo, 17.05.2019.
http://www.chosunonline.com/site/data/html_dir/2019/05/17/2019051780021.html
One Korea Daily News: Sahashihai no Gakkai wo Tsuda, Hannichi Syuzoku Shugi, 15.08.2019. http://news.onekoreanews.net/detail.php?number=86359&thread=01r04
The Asahi Shimbun: GLOBE, Kankokujin ga mita Motochoyoko Saiban, 02.11.2018. https://globe.asahi.com/article/11919752
The Sankei News: Kankokukenkyusha, Choyokosabetsu wa uso, 2 ka no Kokuren Shinpo de shucho he, 01.07.2019. https://www.sankei.com/politics/news/190701/plt1907010046-n1.html