In Japan sind ungeachtet der angespannten und volatilen Situation im ost- und südchinesischen Meer die pro-China Gruppen noch mächtiger geworden. Durch ihr verantwortungsloses Handeln werden die hemmungslosen Provokationen Chinas gegen Japan begünstigt. Zudem kann die zwischen den USA und China balancehaltende Politik Japans gefährlich sein.
Pro-China Politiker
Sowohl in den regierenden als auch in den Oppositionsparteien Japans gibt es zahlreiche pro-China Politiker, und sie üben einen grossen Einfluss auf die politischen Entscheidungen Japans aus. Beispielsweise hatte die Regierung trotz der Gefahr des Corona Virus Schwierigkeiten Einreisende aus China zu stoppen, was vom Volk harsch kritisiert wurde. Einige Städte und Präfekturen schickten Schutzmasken und medizinische Schutzkleidung nach China. Später mussten sie peinlicherweise die in den eigenen Gemeinden fehlenden Stücke heimlich beschaffen. Ein im Juli 2020 vom amerikanischen Institut CSIS (Center for Strategic and International Studies) publizierter Bericht listete die Namen derer auf, die einflussreichen pro-China Gruppen in Japan angehören. Gemäss dem Bericht überzeugten sie den damaligen Premierminister Abe von einer milden Politik gegenüber China. Einer davon war ein Senior Berater Abes. Er, ein ehemaliger Bürokrat, änderte angeblich heimlich aus eigenem Antrieb einen Brief von Abe an Xi Jinping, weil er Japans Beteiligung an der AIIB und das One Belt, One Road Projekt Chinas unterstützt.
Mitglieder der regierenden Partei LDP forderten, von der geplanten Einladung Xi Jinping als Staatsgast angesichts des inakzeptablen Hongkonger Sicherheitsgesetzes abzusehen. Ein mächtiger LDP Politiker, der für seine Pro-China Politik sehr bekannt ist, leistete jedoch Widerstand. Die vorgeschlagene Einladung wurde darum nicht sistiert. In der neuen Regierung von Premier Suga ist dieser Politiker auf dem gleichen Posten geblieben. Die Komeito Partei, die eine sehr China-freundliche Politik macht, bleibt weiterhin Koalitionspartei der LDP.
Ein anderes Beispiel ist ein Zwischenfall aus dem Jahr 2010. Ein chinesisches Fischerboot rammte in der Nähe der Senkaku-Inseln zwei Schiffe der Küstenwache Japans. Nach der Festnahme der chinesischen Besatzungsmitglieder wurden diese schnell wieder auf freien Fuss gesetzt und nach China zurückgeschickt, da ein mächtiger japanischer Politiker Druck ausübte, um auf China Rücksicht zu nehmen.[1] Das Ereignis wurde von der Küstenwache Japans bildlich dokumentiert und teilweise einem Komitee gezeigt, aber nicht dem Volk. Gegen diese schwache Massnahme Japans veröffentlichte ein Küstenwächter die Aufnahme im Internet, woraufhin er seinen Job verlor. Nach dem Zwischenfall sind Japaner von der eigenen Regierung daran gehindert worden, sich den Senkaku- Inseln näher als eine Seemeile (ca. 1800m) zu nähern. Um China nicht in Aufregung zu versetzen, arbeiten pro-China Politiker und Bürokraten in Japan mit grosser Umsicht.[2]
Nebst pro-China Politikern existieren auch pro-Korea Politiker. Die Sozialdemokratische Partei (ab 1996, ehemals Sozialpartei) negierte lange die Tatsache, dass Japaner von Nordkorea entführt wurden. Weder die Parteiführerin noch das Aussenministerium unterstützten damals eine Petition der Opferfamilien. Die meisten japanischen Medien spielen brav mit. Auch pro-Südkorea Politiker sind äusserst aktiv.
Japans starke Bürokratie und Japans Wirtschaftsverband
Bürokraten in verschiedenen Behörden interessieren sich mehr für die eigene Karriere als für die Sicherheitspolitik Japans. Darum wollen sie tendenziell die ernste Lage ignorieren (als gäbe es keine Probleme). Sie ergreifen folglich zügig Massnahmen zugunsten von Nachbarländern, aber nicht für die an vorderster Front arbeitenden Streitkräfte oder die Küstenwache. Ferner sind die Beziehungen zwischen Politikern und Bürokraten ebenfalls problematisch. Japanische Politiker sind stark auf die Bürokraten angewiesen und können deshalb leicht manipuliert werden. Aus grosser Erfahrung und Stolz leisten die Bürokraten Widerstand gegen die politische Führung, obwohl ihre Fähigkeiten der Entwicklung der Gesellschaft und der aktuellen Weltpolitik nicht unbedingt entsprechen.[3]
Der wichtige Wirtschaftsverband Nippon Keidanren ist bekanntlich pro China und übt stets einen starken Druck auf die Regierung aus. Der riesige Markt Chinas mag für ihn äusserst attraktiv sein. Es ist jedoch nicht weitherum bekannt, dass ausländische Unternehmen, vor allem japanische, die sich aus China zurückziehen wollen, ihr dortiges Vermögen verlieren und sogar zusätzliche Kosten zu tragen haben. Ex-Premierminister Abe war an die pro-China Gruppen gefesselt, während der amerikanische Präsident einen harten Kurs gegen China fährt. US Sanktionen gegenüber in China produzierenden japanischen Unternehmungen sind nicht auszuschliessen. Besonders im Visier sind Unternehmen mit Spitzentechnologien, die Dualanwendungen ermöglichen und dadurch die staatliche Sicherheit gefährden könnten.
Fehlender Landesverteidigungswille
Ein Grund für die pro-China oder pro-Korea Politik Japans kann auf den fehlenden Landesverteidigungswillen zurückzuführen sein. Während der siebenjährigen Besatzungszeit durch die USA nach dem Zweiten Weltkrieg ging vielen Japanern der Wille zum Schutz des eigenen Landes verloren. Die Popularität der japanischen Streitkräfte (Self-Defense Forces, SDF) steigt zwar seit Jahrzehnten, weil sie vor allem bei Naturkatastrophen, Krankentransporten, Epidemien etc. immer wieder erfolgreich Hilfe leisten. Dennoch erhalten die SDF wenig Verständnis für ihre Übungen oder die Rekrutierung. Dahinter steckt die einfache Logik, dass das Militär für Krieg ist und Japan keinen Krieg anfangen will. Es ist ironisch, dass die SDF bei ihrer Kernaufgabe Landesverteidigung sehr kritisch und negativ beurteilt werden, während die aggressiven Provokationen Chinas oder Nordkoreas entweder ignoriert oder nur passiv ängstlich betrachtet werden.
England als neuer Akteur?
England zeigt nach dem Austritt aus der EU grosses Interesse an der Region Asien. Eine Flugzeugträgerkampfgruppe Englands macht angeblich 2021 Übungen in Fernost zusammen mit den USA und Japan und wird gerüchteweise nachher in Asien stationiert. Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen England und Japan wurden sehr zügig geführt, und England ist interessiert daran, sich an der CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership; TPP11) zu beteiligen.[4] Es wäre eine günstige Gelegenheit für Japan, mit England eine der USA ähnliche Allianz zu bilden und dadurch die Optionen für eine durchdachte Sicherheitspolitik zu mehren. Auch der «Quadrilateral Dialogue» (Quad: Australien, Indien, Japan, USA), der gegen China gerichtet ist, rückt wieder vermehrt in den Vordergrund. Pro-China Gruppen arbeiten zugunsten Chinas, aber die Balancehaltung zwischen den USA und China kann sehr gefährlich sein. Solche Strategien sind ungeeignet für Länder mit schwach ausgeprägtem Verteidigungswillen.
Fazit
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird in Japan die «Landesverteidigung» als gefährlich betrachtet. Die Losung lautet: ohne Armee gibt es keinen Krieg. Die von pro-China Politikern zu weit gehende Rücksichtnahme auf China, und die nur an den eigenen Interessen orientierten Bürokraten und Unternehmer haben China stark ermutigt, Japan zu provozieren. Bei einer Medienkonferenz des Verteidigungsministers im August 2020 fragten japanischen Medien mehrmals, ob der Landesverteidigungsvorschlag der regierenden Partei auch bei China und Südkorea auf Verständnis gestossen sei. Viele japanische Medien nehmen anscheinend die Lage in der Umgebung Japans gar nicht wahr. Überdies besitzt China zahlreiche atomare Mittelstreckenraketen und erhöht stetig die Anzahl der Nuklearwaffen. Angesichts dieser Realität wären Diskussionen über Abschreckungspolitik notwendig. Eine Allianz mit England könnte Japan den nötigen Spielraum verschaffen, die gefährliche Balancepolitik zwischen den USA und China zu überdenken. Das Verständnis und die Unterstützung des Volkes für die Landesverteidigung sind grundlegend. Pro-China Politiker, Bürokraten, Unternehmer und Medien, die unermüdlich zugunsten China arbeiten, könnten durch einen gestärkten Volkswillen zur Landesverteidigung zurückgebunden werden.
[1] Sankei Shinbun: Ko Sengoku Yuto Shi ni iunoha yabodaga, 18.10.2018. https://www.sankei.com.
[2] Asahi Shimbun Globe: Senkakushoto no Ryoyuken Nihonseifu wa motto tsuyoi Shisei wo shimese, 30.06.2020. https://globe.asahi.com.
[3] Tsuneki, Jun: Nippon no Kanryosei to sono Hyoka, Osaka University, Discussion Paper No.824, 12.2011. https://www.iser.osaka-u.ac.jp.
[4] NHK: Igiris TPP Kameinisonaeta Hatsukyogi, Sep. 10, 2020. https://www3.nhk.or.jp.